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Exekutive Funktionen fördern: Wie ihr euren Kindern helfen könnt, im Leben klar zu kommen

Als Eltern/Bezugspersonen hat man schon so viele Bereiche, auf die man beim Großziehen von Kindern achten muss. Angefangen von gesunder Ernährung, Bewegung, und emotionalen Bedürfnissen. Man stolpert über Ratgeber und YouTube Videos und versucht mit einer Mischung als angelesenem Fachwissen, Erfahrungsberichten von anderen und seinem Bauchgefühl irgendwie einen halbwegs guten Job zu machen.

Herrje, wie oft haben wir jetzt schon abends die Fußgymnastik vergessen, die gegen die Knickfüße helfen soll. Und das morgendliche Packen der Snackboxen für die Kita ist mir auch ein Graus, was ist einigermaßen gesund, was essen die Kinder, fliegt mir der Hummus am Nachmittag wieder um die Ohren, wenn ich die Brotdose aufmache?

Also warum sollen wir uns dann noch mit exekutiven Funktionen rumschlagen? Lest weiter und lasst euch überzeugen, dass es sich durchaus lohnt, über diese Funktionen Bescheid zu wissen und ihre Förderung in den Alltag mit einzubinden (ich bin mir übrigens sicher, dass ihr das sowieso schon tut, aber ich finde es ganz gut sich immer wieder vor Augen zu führen, was wir machen und warum wir es denn tun– das gibt mir auch mehr Ansporn weiterzumachen und noch ein 10. Mal zu sagen „Erst wird aufgeräumt und Pipi gemacht, dann wird eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen“).

Warum exekutive Funktionen so wichtig sind

Simple gesagt sind wir ohne sie nicht wirklich lebensfähig: Sie liefern uns das Werkzeug, um uns in der Welt zurechtzufinden, Wissen anzueignen, Aufgaben zu bewältigen, Ziele zu erreichen und in den Austausch mit anderen Menschen zu treten.

Wir müssen uns Informationen (kurzfristig) merken, z.B. wenn uns jemand den Weg zur U-Bahn beschreibt (Komponente: Arbeitsgedächtnis), wir müssen an der Supermarktkasse warten, bis wir an der Reihe sind (Komponente: Selbstkontrolle) und eine alternative Methode finden auf Arbeit zu gelangen, wenn das Auto spontan kaputt gegangen ist (Komponente: Mentale Flexibilität). Falls ihr noch etwas genauer wissen wollt, was wir unter diesen drei Komponenten verstehen, dann lest hier weiter.

Zwei Aspekte finde ich auch wichtig zu bedenken:

  1. Exekutive Funktionen bilden die Basis für die soziale, emotionale und moralische Entwicklung von Kindern.
  2. Sie sind entscheidend dafür, wie Kinder lernen und wie einfach es ihnen fällt, sich im Gruppenkontext und der Schule Wissen anzueignen.

Kinder, die Probleme haben sich auf eine Sache zu fokussieren und unmittelbaren Ablenkungen zu widerstehen, können Aufgaben nicht lösen, Anweisungen nicht folgen und verlieren schnell den Anschluss. Sie fühlen sich überfordert und hilflos. Häufig reagieren sie mit Frust und Wut. Lernen mit Lust und Motivation ist nicht mehr möglich und der Kontakt zu Bezugspersonen und Gleichaltrigen ist gestört.

Ich denke, wir alle kennen eigene Situationen, in denen es uns schon mal so ging. Ich hatte letztens mal wieder akuten Schlafmangel, der meine exekutiven Funktionen auf das Level einer 2jährigen reduziert hat. Als dann mein Mann mir versucht hat zu erklären, wie man die Lautsprecher an unserem PC einstellt, habe ich mich in kürzester Zeit überfordert gefühlt. Ich konnte mir die Schritte nicht merken, ich wurde von den Geräuschen vor der Haustür abgelenkt und tat schwer daran, meinen Frust in Zaum zu halten, weil ich eigentlich nur unter die Bettdecke kriechen wollte. Der Stress wurde größer, weil ich wusste, dass die Lautsprecher innerhalb der nächsten 10 Minuten funktionieren müssen, damit ich einem Gruppenmeeting per Zoom folgen kann. Und schon beißt sich die Katze in den Schwanz. Der Stress bewirkt, dass wir Hormone ausschütten, die uns in eine „fight, flight or freeze“ (also Kämpfen, Fliehen oder Erstarren-)Situation bringen und unsere Entscheidungen beeinflussen. So verhindern dann Stoffe wie Adrenalin und Cortisol, dass wir Dinge abwägen, systematisch durchdenken, flexibel planen. Ich finde diese neurophysiologischen Prozesse sehr spannend, aber zurück zu unseren exekutiven Funktionen und wie wir sie fördern können.

Förderung der exekutiven Funktionen (EF): Was gilt es zu beachten

Menschen haben das Potential, exekutive Funktionen zu entwickeln, aber alleine schaffen sie es nicht. Darum kommt uns als Eltern/Bezugspersonen eine wichtige Rolle zu, unseren Kleinen dabei zu helfen (für einen Überblick siehe z.B. Hendry, Jones & Charman, 2016, auch Zelazo, 2020). Das Gute ist, wir trainieren EF ständig und überall, der Alltag bietet uns täglich viele Situationen. Zum Beispiel wenn ihr gemeinsam mit euren Kindern Plätzchen backt, dann arbeitet ihr automatisch an wichtigen Teilaspekten der EF: Ihr setzt euch ein Ziel, nämlich Butterplätzchen zu backen und ihr macht euch einen Plan, wie ihr das Ziel erreichen wollt. Ihr schafft euch Platz auf der Arbeitsplatte. Ihr überlegt, welche Zutaten ihr braucht, welche Küchengeräte und welche Schritte in welcher Reihenfolge dran sind. Ihr müsst euch merken, welche Zutaten ihr schon beigemischt habt und wie lange die Plätzchen backen müssen.

Wir begleiten unsere Kinder, verschiedene Aufgaben im Alltag zu meistern. Zum Beispiel führen wir Routinen ein (bevor wir ins Bett gehen, machen wir Pipi, waschen uns die Hände, putzen Zähne, ziehen unseren Schlafanzug an und lesen ein Buch zusammen), brechen komplexe Abläufe in Unterschritte auf (bevor wir einkaufen, überlegen wir, was wir essen möchten, welche Lebensmittel wir noch im Kühlschrank haben, wo wir die Sachen kaufen können, etc.).

Im Englischen nennt man das Scaffolding, also ein Gerüst aufbauen. Ich finde das ein ganz gutes Bild, denn wir bieten den (geschützten und strukturierten) Rahmen, damit unsere Kinder ihr eigenes Leben aufbauen. Dabei müssen wir individuelle Unterschiede unserer Kinder berücksichtigen, um ihnen angemessene Unterstützung zu bieten. Manche brauen mehr Anleitung als andere.

Zum Beispiel braucht meine Tochter mehr Unterstützung, um ihre Emotionen zu bewältigen, und Strategien, um ihre Impulse zu kontrollieren. Ein wichtiger Faktor ist auch das Alter. Von einer Dreijährigen kann ich nicht das gleiche Vorausplanen und Folgen von Anweisungen verlangen, wie von einem Fünf- oder gar Zehnjährigen. Wer mehr zur Entwicklung der exekutiven Funktionen lesen möchte, der kann sich diesen Blog durchlesen.

7 Bereiche der exekutiven Funktionen, die ihr unterstützen könnt

1. Emotionen erkennen und verarbeiten

Wir kennen es selbst, wenn uns ein Gefühl überrollt. Dann müssen wir Strategien anwenden, mit diesem Gefühl umzugehen. In einem anderen Blog habe ich über Wut geschrieben. Hier möchte ich auf Traurigkeit eingehen. Es ist zunächst wichtig, dass man die Kinder die Traurigkeit spüren lässt, ihr Raum gibt. Das ist manchmal gar nicht so einfach auszuhalten. Ich spüre noch immer die Niedergeschlagenheit meines Sohnes, als er glaubte, dass keiner seiner Freunde mit in die Vorschulklasse wechselt. Ich musste mich aktiv gegen Strategien wehren, die aus meiner Kindheit hochkamen: schnell von Thema ablenken, eine Belohnung in Form von Süßigkeiten anbieten oder das Gefühl negieren, so nach dem Motto „ach, das ist doch nicht so schlimm. Stell dich nicht so an.“ Also habe ich erstmal signalisiert, dass ich sehe, wie traurig er ist („Ich merke, das macht dich sehr traurig“) und dass ich Empathie für ihn habe („Das muss sehr wehtun, dass alle Freunde in einer Vorklasse sein werden, nur du musst in eine andere“). Und dann haben wir überlegt, was er/wir machen können, damit er die Situation besser aushalten kann (z.B. Sich außerhalb des Kindergartens mit den Freunden treffen. Überlegen, wie man mit den neuen Kindern Kontakt knüpfen kann). Das ging so weit ganz gut, aber ich war dann doch erleichtert, als wir erfuhren, dass er sich geirrt hatte und eine Handvoll an Freunden doch in die gleiche Klasse mit wechseln würden, puh ;-).

Wie kann man das üben?

Gefühle anderer beobachten: das ist oft einfacher, als direkt über die eigenen Gefühle zu sprechen, gerade, wenn man im Moment noch wütend, traurig oder enttäuscht ist. Wenn man ein anderes Kind beobachtet hat, das sehr wütend war, könnt ihr besprechen, welches Gefühl/welche Gefühle ihr beobachten konntet und wie sich das am Verhalten gezeigt hat. Ihr könnt besprechen, wann ihr das letzte Mal wütend wart und warum, wie sich das angefühlt hat und was ihr in der Situation getan habt. Hier bieten sich auch eine Reihe von Büchern an, in denen Gefühle von Charakteren aufgegriffen werden. Schaut mal in die Lieblingsbücher eurer Kinder, ich bin mir sicher, da lassen sich Beispiele finden. Es gibt auch extra Bücher, die sich mit Gefühlen beschäftigen. Ich habe diese Woche gerade ein Buch aus der Bücherei ausgeliehen, das hat Ragnar mit Interesse angeschaut (Wohin mit meiner Wut? Von Dagmar Geisler). Ein englischsprachiges Buch, das wir öfters anschauen, heißt „How are you feeling today?“ von Molly Potter.

Gefühle im Körper spüren: ihr könnt mit euren Kindern überlegen, wie es sich anfühlt, wenn ihr aufgeregt seid oder euch für etwas schämt. Wo kribbelt oder drückt es? Was möchte eurer Körper tun? In die Luft springen, sich in eine kleine Schnecke zusammenrollen? So können Kinder üben, ihre Körpersignale zu lesen, ihre Gefühle im Körper zu lokalisieren und erkennen.

2. Impulse kontrollieren

Oh, wer kennt das nicht, man hat eine Packung seiner Lieblings-Pralinen geschenkt bekommen und würde am liebsten alle auf einmal aufessen, obwohl man weiß, dass man sich danach elend fühlen wird. Oder man hat sich eine tolle Überraschung für jemanden ausgedacht und muss bis zum Geburtstag warten, bevor man davon erzählt. Ein anderes Beispiel ist, dass man in einem Gespräch wartet, bis man dran ist. Wie schwer das auch häufig Erwachsenen fällt, kann man regelmäßig bei Talkshows sehen oder wenn man das Gerangel an Bushaltestellen beobachtet, jeder will zuerst rein (zumindest, wenn man an einer deutschen Haltestelle steht, in England würde das nicht passieren. Da stellt sich die Frage, wie kulturelle Unterschiede Einfluss auf die Entwicklung von Impulskontrolle haben).

Wie kann man das üben?

Wann geht’s endlich los? Zeitspanne visualisieren: Wann geht es endlich in den Zoo? Die Kinder fiebern und fragen alle 5 Minuten, wann wir nun endlich das Haus verlassen. Uns hilft es dabei gut, einen Alarm zu stellen. Wir haben uns letztens eine Zeitdauer-Uhr gekauft, die bildet gut die verbleibende Zeit auch farblich ab. Da gibt es die unterschiedlichsten Modelle, wer einen Eindruck bekommen möchte, wie diese Uhren aussehen können, der kann hier nachschauen.

Konsequenzen aufzeigen und spüren lassen: Ein klassisches Beispiel: die Kinder würden sich am liebsten von morgens bis abends Süßigkeiten in den Mund schieben. Letztens wachte Thorvi auf und hatte sich kaum aus dem Bett gezwiebelt, da verlangte sie schon Schokolade zum Frühstück. Also habe ich wieder den Erklärbär abgespult, dass es nur nachmittags etwas Süßes gibt und nur eine Sache, damit sie keine Bauchschmerzen bekommen. Oft denkt man, man redet sich den Mund fusselig und nichts kommt an. Wenn dann aber die kleine Schwester dem großen Bruder einen Vortrag hält, warum er nicht noch eine Kugel Eis bekommen kann, stellt man erleichtert fest, dass doch nicht alles umsonst war. Unterstützend können auch kurze Videos helfen, dank YouTube und Co. finden sich auch genügend Erklär-Videos oder Lieder. Und ich finde es auch ganz ok, wenn ein Teil des Wissens von Peppa Wutz oder Baby John bestärkt wird 😊. Manchmal hilft es auch, den natürlichen Konsequenzen freie Bahn zu geben. Letztens hat sich Ragnar die Herausforderung gestellt so viel Mineralwasser zu trinken wie möglich. 10 Minuten später hatte er Bauchschmerzen und kurz darauf kam alles wieder hoch (zum Glück waren wir im Freien und die Spuckfontäne ließ sich schnell beseitigen). Seitdem kann er sehr gut nachvollziehen, dass ein „Zuviel des Guten“ kräftig nach hinten losgehen kann (oder schnell wieder rauskommt ;-)).

3. Wünsche und Bedürfnisse ausdrücken und respektieren

Eine Aufgabe, die auch wir Erwachsenen immer wieder trainieren müssen. Wenn unser gegenüber nicht weiß, was wir möchten, kann ich nicht erwarten, dass auf meine Bedürfnisse eingegangen wird.

Oh, wie kann ich es nicht leiden, wenn meine zwei Racker direkt losquengeln und jammern, ohne dass klar ist, wo eigentlich der Schuh drückt. Ich erinnere sie dann daran, dass ich keine Gedanken lesen kann und keine Ahnung habe, was sie eigentlich wollen, mir aber das Quengeln auf den Keks geht und ich dadurch nicht gerade motiviert werde, ihnen zu helfen. Im Gegenzug ist es wichtig, die Wünsche anderer zu respektieren und seine eigenen Wünsche einzufordern. Seit ich das mehr und mehr meinen Kindern gegenüber formuliere, geht es mir auch besser. Ich sag dann schon mal „Ragnar, deine lauten Quietschgeräusche mit den Rennautos bringen mich aus der Ruhe, ich möchte, dass du damit aufhörst.“ Wenn er weitermacht „Ich habe dich gebeten aufzuhören und ich möchte, dass du meinen Wunsch respektierst. Wenn du unbedingt diese Geräusche machen möchtest, dann geh bitte in ein anderes Zimmer.“ Wenn das nicht hilft, drücke ich meinen Unmut aus „Ich finde es schade, dass du meinen Wunsch nicht respektierst. Ich geh jetzt aus dem Zimmer, denn ich merke, wie ich wütend werde.“ Dann geh ich aus dem Zimmer und gönn mir eine Pause.

Wie kann man das üben?

Wünsche konkret formulieren und klare Absprachen treffen: Wir üben das im Grunde täglich und ich versuche sie zu ermuntern, möglichst konkret ihre Wünsche/Bedürfnisse zu beschreiben. Ein Dauerbrenner ist, dass Ragnar morgens gerne spielen möchte und sich dadurch unsere Routine verlängert und wir häufiger zu spät das Haus verlassen. Ich habe gelernt zu respektieren, dass er dieses Spielen braucht, um den Tag zu starten. Er kann mittlerweile recht gut formulieren, was er gerne machen möchte und mit mir besprechen, wie es in die Morgenroutine eingebaut werden kann. Zum einen besprechen wir, welche Schritte erst erledigt werden müssen, bevor er sich dem Spielen widmen kann (wenn du angezogen bist, dann kannst du mit den Autos spielen). Zum anderen einigen wir uns auf ein Zeitlimit (10min. passen am Morgen, wenn er länger spielen will, dann muss ich ihn früher wecken).

Teilen/Abwechseln üben (beinhaltet auch Impulskontrolle): Klassisches Beispiel aus dem Kinderzimmer, Ragnar spielt zum ersten Mal seit Wochen mit der Spielküche, auch Thorvi hat seit Ewigkeiten kein Interesse an den Spielsachen gezeigt. Aber jetzt möchte auch sie ein Picknick zusammenstellen und reißt Ragnar den Koffer mit dem Geschirr aus der Hand. Die beiden brüllen sich an. Ich erinnere sie an die Regel „wer zuerst damit gespielt hat, darf auch erst mal weiter damit spielen“. Dann bitte ich sie, ihre Wünsche zu äußern und wir überlegen, wie die jeweiligen Bedürfnisse erfüllt werden können „Thorvi, du kannst erst einmal mit dem Teeservice spielen und später mit dem Picknick-Korb.“ Oder wir stellen den Wecker, so lange darf Ragnar damit spielen, dann ist Thorvi dran. Alles leichter gesagt als getan, aber wir spielen ja das „Long-Game“. Durch das immer wieder Üben von Lösungswegen, prägen sich Strategien und Verhaltensmuster ein.

Wir reden auch oft genug darüber, dass wir nicht Aladin mit der Wunderlampe sind. Manche Wünsche und Bedürfnisse werden nicht erfüllt/gedeckt, das kann einen ärgern, muss man aber auch lernen auszuhalten. Dann kann direkt die Impulskontrolle trainiert werden 😊.

4. Anweisungen folgen

Unser Alltag ist geprägt durch (Verhaltens)Regeln und Anweisungen, die wir durchführen müssen. Die ein oder andere Regel mag uns auf die Nerven gehen, die ein oder andere werden wir voraussichtlich ignorieren, aber ein Großteil unseres Lebens wird durch gewisse Verhaltensregeln erst möglich (z.B. Bei Rot müssen wir anhalten, damit wir keinen Unfall riskieren). Und so müssen Kinder auch täglich Regeln und Anweisungen folgen, um sich in den Alltag zu integrieren. Das ist harte Arbeit. Und so ist es auch wichtig, mal einen Rollenwechsel vorzunehmen und die Kinder den Ton angeben zu lassen. Das macht ihnen Spaß und gibt ihnen ein Gefühl der Kontrolle und Macht. Das ist auch wichtig, denn wenn wir uns mal genau beobachten, müssen wir uns doch eingestehen, dass unsere Kinder den lieben langen Tag lang ganz schön vielen Anweisungen folgen müssen. Ich muss mich immer wieder aktiv daran erinnern, nicht ständig Anweisungen zu geben und die Dinge mal laufen zu lassen.

Wie kann man das üben?

Stopp und Go – Übung: Einer bestimmt, wann sich die anderen bewegen können und wann sie zur Salzsäule erstarren müssen. Das geht auch gut mit Musikinstrumenten. Der Musikmeister spielt und wenn er aufhört, müssen alle stillhalten. Meine Tochter liebt dieses Spiel.

Gemeinsame Alltagsaktivitäten: Beim Backen z.B. muss man den Anweisungen im Rezept folgen, sonst wird der Kuchen nichts (eine Erfahrung, die ich schon häufig gemacht habe, weil ich mich nicht gerne an Mengenangaben halte).

Rollenspiele: Sie bieten den Kindern Erfahrungen aus dem Alltag nachzuspielen und zu trainieren (z.B. Kind bringt seinem Kuscheltier bei, wie es auf Toilette geht und sich danach die Hände wäscht).

5. Vorausschauend Planen

Eine Fähigkeit, die wir Mütter (zumeist) perfekt beherrschen. Klassiker: ein Ausflug steht an (oder gar ein Urlaub) und es muss überlegt werden, was man alles mitnehmen muss. Männer meinen meistens, wenn sie die Schuhe angezogen und ein Päckchen Tempos eingepackt haben, sind sie startklar. Wir Frauen gehen alle Eventualitäten durch. Was ist, wenn jemand hinfällt, also nicht das Erste-Hilfe-Kit vergessen. Man könnte ja von einer Biene gestochen werden, also das Tütchen Hirschhornsalz einpacken. Keine Frage, es braucht Snacks, einen extra Sonnenhut, falls einer nass wird oder verloren geht… und so ist die Liste lang, die abgearbeitet wird. Am Ende reicht die gepackte Tasche, um 2 Wochen im Wald zu überleben und der Partner stöhnt, wie schwer der Rucksack geworden ist und weil der Bollerwagen noch mit muss. Ich gebe zu, effektives und vorausschauendes Planen liegt wohl irgendwo in der Mitte 🙂

Wie kann man das üben?

Wochenpläne: Die Kinder und ich haben uns mal eine Übersicht über die Woche im Kindergarten gemacht. Dort haben wir aufgemalt und aufgeschrieben, was an welchem Tag ansteht (z.B. auf jedem Wochentagskästchen sind ein Bär und Hase gemalt, der die Kinder daran erinnert, ihre Kuscheltiere mitzunehmen. Am Montag ist ein Buch abgebildet, weil das ausgeliehene Buch wieder in der Bibliothek abgegeben werden muss, am Dienstag muss das Sportzeug mit, etc.). Funktionierte anfangs gut, dann hab ich mich dabei erwischt, dass ich ungeduldig wurde, wenn die Kinder nicht selbstständig oder nach Aufforderung draufgeschaut haben, dann ging das helikoptern wieder los und ich hab die Sachen gepackt… das ist für mich immer wieder ein Lernprozess, es sein zu lassen und die Kinder mit den Konsequenzen leben zu lassen. Dann ist halt mal das Kuscheltier zu Hause oder es wird Sport in der Slimfit Jeans gemacht.

Überblick über den Tag: Morgens kann man gut gemeinsam überlegen, was denn so ansteht. Das hilft auch den Kindern, sich auf das einzustellen, was so kommt, ohne dass sie von den Ereignissen überrumpelt werden (z.B. „Heute hole ich euch eine halbe Stunde später ab, weil ich noch einen Termin habe. Danach gehen wir noch gemeinsam Getränke kaufen.“).

Gedankenspiel: Man kann sich gemeinsam „Was wäre wenn“- Szenarien ausdenken. Thorvi liebt es, das ganze Jahr lang ihre Geburtstagsparty zu planen, welches Thema es geben wird, welche Spiele, welches Essen, was sie anziehen wird. Mann kann auch seiner Fantasie freien Lauf lassen und z.B. überlegen, was man machen muss, wenn man auf einer einsamen Insel gelandet ist oder was man mit seiner gewünschten Super-Kraft alles machen kann (Ragnar findet es toll zu überlegen, wie er seine Spiderman-Kräfte am besten einsetzen kann).

Ich hoffe, ich konnte euch überzeugen, dass, auch wenn uns alle Achtsamkeits-Experten daran erinnern im Hier und Jetzt zu leben, vorausschauendes Planen durchaus hilfreich ist, um den Alltag zu bewältigen.. um dann den augenblicklichen Moment genießen zu können😊.

6. Im Team arbeiten und kooperieren

“Teamwork makes the dream work” – mit diesem Spruch hat mich Ragnar letztens überrascht, nachdem ich ihm mal wieder ein Beispiel aufgezeigt hatte, warum Teamwork so hilfreich ist. Ich finde es prima, dass sie auch im Kindergarten die Kinder anleiten, in der Gruppe zu arbeiten und ihnen die Vorteile bewusst machen. Ich war viele Jahre Einzelkämpfer, was mir wahrlich nicht gutgetan hat. Und es hat lange gebraucht, bis ich mich voll und ganz auf Teamarbeit einlassen und sie wertschätzen konnte. Dass wir nur gemeinsam die Probleme im Großen wie im Kleinen lösen können, wird heutzutage immer wieder deutlich (die Folgen von Brexit sind ein gutes Beispiel dafür, wenn ein ganzes Land diese Tatsache ignoriert…). Aber Teamwork will gelernt sein und kann auch oft genug schiefgehen. Daher… früh übt sich. Das ist mit Kindern immer wieder eine Herausforderung, weil Fähigkeiten, wie sich in andere hineinzuversetzen (siehe auch Theory of Mind Ansatz), abwarten, teilen etc. erst erlernt und geübt werden muss.

Wie kann man das üben?

Wer kann was: Man kann gemeinsam überlegen, was man mal gerne spielen möchte und wer dafür Entsprechendes einbringen kann. Zum Beispiel liebt es Thorvi Barbies einzukleiden, also kann sie die Aufgabe übernehmen, die Puppen für den Ausflug entsprechend anzuziehen (obwohl ihr noch nicht so sehr einleuchtet, warum man im Freizeitpark vielleicht besser keine Stöckelschuhe anzieht). Ragnar dafür baut gerne und wird daher beauftragt, ein Legofahrzeug zu bauen, um alle zum Freizeitpark zu transportieren.

Teamaufgaben (z.B. Parcours): Zum letzten Geburtstag gab es einen Ninja-Parcours, den man nur mit gemeinsamer Hilfe bewältigen konnte (z.B. ein Kind muss das andere hochheben, damit sie an einen Schlüssel herankommen). Man schafft also Aufgaben, die nur lösbar sind, wenn man sie zusammen macht.

Diese Situationen geben auch gut die Möglichkeit darüber zu sprechen, was unsere Stärken und Schwächen sind, dass es ok ist, wenn man eine Sache nicht weiß oder kann, dass es ok ist nach Hilfe zu fragen oder dass man gewisse Dinge üben muss, bis man sie genauso gut kann.

7. Aufgaben erledigen (Ziele setzen und erreichen)

Puh, diesen Absatz zu schreiben, fällt mir schwer, weil ich mir vor Augen holen muss, wie schlecht ich darin geworden bin, seit ich Kinder habe. Früher habe ich einfach so viel Zeit und Energie reingesteckt, bis das Ziel erreicht war. Das war oft erfolgreich, aber nicht wirklich effektiv und oft erschöpfend. Nun gut, dass soll ja jetzt aber keine Plattform werden, um meine eigenen (Fehl-)Muster aufzuarbeiten, also noch mal Stück für Stück, auf was es hier ankommt:

a) Ziele zu setzten ist hilfreich, um sich erst einmal zu überlegen, was einem wichtig ist, und,

b) Man muss sich überlegen, wie man die Ziele erreichen kann.

Das ist genauso wichtig, denn bei diesen Überlegungen mag entweder schon deutlich werden, dass einem das Ziel doch nicht so wichtig ist oder welche Maßnahmen man ergreifen muss, um das Ziel zu erreichen. Das kann dann auch bedeuten, dass eine Reihe an exekutiven Funktionen zusammenarbeiten müssen. So braucht es nach Weihnachten ein deutliches Maß an Impulskontrolle, die Rest-Süßigkeiten nicht aufzuessen, wenn man seinen Winterspeck wieder loswerden möchte. Es bedarf Vorausplanung, wann man Sport treiben kann, um überflüssige Kalorien zu verbrennen. Teamwork, um wieder mehr Obst und Gemüse auf den Tisch zu bekommen und das Befolgen der Kochanweisungen, wenn man kalorienarme Gerichte kochen möchte.

Wie kann man das üben?

Wünsche in Ziele verwandeln: Wünsche sind oft groß oder wenig konkret. Indem man sie in Ziele umwandelt, können sie greifbar gemacht werden. Ich wäre gerne eine gute Schwimmerin, das ist ein Wunsch, den ich schon seit der Schulzeit habe, seit selbst mein Sportlehrer mich als Bleiente bezeichnet hat (ja, ja das war nicht pädagogisch korrekt, aber recht hatte er). Da ich aber nie ein konkretes Ziel daraus abgeleitet habe (z.B. Im Sommer möchte ich jeden Donnerstag das Brustschwimmen üben), ist es auch bei der Bleiente geblieben und ich fühle mich im Plantschbecken bei den Fontänen am wohlsten.

Fahrplan erstellen (Ziel in Teilschritte runterbrechen): Viele Ziele scheinen in weiter Ferne, aber das Formulieren von Schritten, die zum Ziel führen, können helfen, die Motivation auf dem Weg dorthin zu bewahren (z.B. habe ich Thorvi erklärt, dass es ihr hilft Fahrradfahren zu lernen, wenn sie das Dreiradfahren beherrscht und sicher auf dem Laufrad ist).

In der Erwachsenenwelt begegnet man auch immer wieder dem Akronym SMART, wenn es um die Formulierung von Zielen geht:
S – spezifisch (dass das Ziel konkret genug ist, dass man auch daran arbeiten kann)

M – messbar (dass man überprüfen kann, ob man das Ziel erreicht hat)

A – attraktiv (dass man die Motivation behält)

R – realistisch (was ist überhaupt möglich bei den gegebenen Rahmenbedingungen)

T – terminiert (wann soll das Ziel erreicht sein).

Ich fand es immer qualvoll mich durch die SMART-Bereiche zu arbeiten. Aber ich muss zugeben, dass sie mich immer gezwungen haben, wirklich darüber nachzudenken, welche Ziele ich habe und ob sie die SMART Kriterien erfüllen. Mit Kindern kann man durchaus auch die SMART-Kriterien anwenden. So lernen sie schon früh, sich konkrete und erfüllbare Ziele zu setzten. Und wenn man sein Ziel nicht erreicht, bieten sie eine Grundlage, um zu überlegen, warum es schiefgegangen ist.

Falls ihr noch weitere Anregungen wollt, wie ihr exekutive Funktionen fördern könnt, kann ich diese englischsprachige Ressource vom Center on the Developing Child (Harvard University) empfehlen.

Wunderbare Tipps und Zusammenfassungen zum Thema exekutive Funktionen, Durchhaltevermögen, Motivation etc. bietet die Webseite GoZen. Sie bereiten Themen für Eltern und für Kinder toll auf.

Nun gut, ich hoffe, der Blog hat euch ein paar Ideen gegeben, wie ihr exekutive Funktionen fördern könnt. Und wie gesagt, gebt nicht auf, dieser Weg, den ihr mit eurem Kind geht, ist eine lange Wanderung, die euch in Täler und hoch hinauf auf Gipfel führt, manchmal geht einem die Puste aus, aber es gibt auch die Momente, an denen man auf dem Berg angelangt ist und sich über die tolle Aussicht freut. Alles Gute!

Eure Blanca

Literatur/Referenzen

Hendry, A., Jones, E. J. H., & Charman, T. (2016). Executive function in the first three years of life: Precursors, predictors and patterns. Developmental Review, 42, 1-33. doi:10.1016/j.dr.2016.06.005

Traverso, L., Viterbori, P., & Usai, M. C. (2019). Effectiveness of an executive function training in Italian preschool educational services and far transfer effects to pre-academic skills. Frontiers in Psychology, 10. doi:10.3389/fpsyg.2019.02053

Zelazo, P. D. (2020). Executive function and psychopathology: A neurodevelopmental perspective. Annual Review of Clinical Psychology, 16(1), 431-454. doi:10.1146/annurev-clinpsy-072319-024242

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