Ticket to Ride

Zug um Zug

Wie Spiele für Erwachsene auch für Kinder genutzt werden können und wie spielend gelernt werden kann…

Für dieses Jahr hatte ich mir vorgenommen, wieder mehr Spiel in mein Leben zu bringen. Das klingt verwunderlich, denn mit einer Dreijährigen und einem Fünfjährigen verbringe ich einen Großteil meiner Zeit auf dem Fußboden zwischen Rennautos, Puppen und Puzzleteilen. Aber ich muss eingestehen, dass ich nicht immer voller Elan und Begeisterung dem Spiel nachgehe, schon gar nicht, wenn ich morgens um 6 von meinem Sohn geweckt werde und er direkt eine Runde Vier-Gewinnt einfordert. Er war es auch, der auf meinem Tablet das Spiel Zug-um-Zug entdeckt hat. Ziel ist es, Zugverbindungen zwischen verschiedenen Städten zu bauen. Es gibt verschiedene Landkarten, auf denen man Strecken bauen kann, z.B. durch die USA, Europa oder China. Man wählt zu Beginn die Zugrouten aus, die man bauen möchte. Die Strecken setzten sich aus verschieden farbigen Abschnitten zusammen, z.B. braucht man 2 blaue, 4 grüne und 3 gelbe Gleiskarten, um zwei Städte miteinander zu verbinden. Man spielt entweder mit einem realen Gegner oder gegen den Computer.

So, was ist da nun pädagogisch Sinnvolles dabei? Das hab ich mich auch gefragt, als mein 5-jähriger Sohn mich immer wieder gefragt hat, ob wir das Spiel zusammen spielen könnten. Viele Male habe ich nein gesagt, weil ich der Meinung war, dass er viele Spiele für sein Alter hat. Aber da er ein Eisenbahn-Fan ist, hat er nicht lockergelassen und eines Morgens, als er mich mal wieder kurz nach sechs aufgeweckt hat, war meine Willenskraft noch nicht aufgewacht und ich habe ja gesagt.

Mit Erstaunen musste ich feststellen, dass Ragnar sich zum einen nicht langweilte, dass er zunächst nur zugucken konnte, während ich die Strecken baute und man tatsächlich das Spiel nutzen kann, um verschiedene Fähigkeiten zu trainieren:

Ganz im Allgemeinen, was die meisten Spiele verlangen, ist, dass man abwarten muss, bis man selbst dran ist. Hier muss ein Kind lernen sich zurückzuhalten (im Fachjargon spricht man hier auch von Inhibition, das ist ein Teil der exekutiven Funktionen, die für das Lernen von Bedeutung sind).

Das Turn-Taking, also das sich Abwechseln, das auch in Gesprächen notwendig ist, wird hier eingefordert (wer mehr zum Thema Turn-Taking im Rahmen der frühen Sprachentwicklung lesen möchte, kann sich den folgenden Blogpost durchlesen).

Man muss sich Regeln und Abläufe merken. Zum Beispiel darf man während eines Spielzuges nur zwei Streckenkarten ziehen. Wenn man eine Joker-Karte möchte, dann gibt es keine zweite Karte. Man kann nur bauen oder neue Karten ziehen. Daher muss ein Kind ein Verständnis für Regeln haben und gleichzeitig das Arbeitsgedächtnis einsetzen, um all diese Regeln und Abläufe im Kopf zu behalten, während es die nächsten Schritte plant (lest auch hier mehr zum Thema Arbeitsgedächtnis und warum es eng mit der Sprachentwicklung zusammenhängt).

Die Kinder üben sich im Erkennen der Farben und im Zählen der Schienenabschnitte. Es muss addiert und subtrahiert werden (wir haben insgesamt 35 Streckenteile, zehn Teile brauchten wir für die erste Route, dann bleiben uns noch 25 Streckenteile für die zweite Route usw.).

Problemlösestrategien müssen angewendet werden und vorausgeschaut werden, welche Schritte als nächstes Sinn ergeben (z.B. welche Städte können am geschicktesten verbunden werden, sodass möglichst wenige Streckenteile benötigt werden?).

Im Fall von Zug-um-Zug lernt man auch jede Menge über die Geografie verschiedener Kontinente und Länder.

Also was möchte ich euch mit all dem sagen:

  1. Spielen ist total toll, weil man nebenbei und unbewusst so Vieles Lernen kann.
  2. Das Lernen geschieht dabei von ganz allein, ohne dass man einen Stundenplan abarbeitet oder spezifische Lernziele verfolgt.
  3. Viele Spiele, auch wenn man erstmal nicht glaubt, dass sie geeignet sind, können mit Kindern genutzt werden (man selbst hat es häufig in der Hand, welche Regeln man beachtet, wie man das Spiel vereinfachen kann, wenn es dem Kind noch zu schwerfällt. Gleiches gilt für Bücher. Wer wissen mag, wie man die Raupe Nimmersatz von klein auf bis ins Schulalter nutzen kann, der kann das hier nachlesen).

Nun denn, ich hoffe zwar nicht, dass der nächste Lockdown vor der Tür steht, aber traut euch ruhig in eurer Familien-Zeit viel zu spielen, egal was. Hauptsache, es macht Spaß! Denn Spaß und Motivation machen Lernen erst möglich. Das Leben ist schon ernst genug, da kann man ruhig der Freude ein bisschen mehr freien Lauf geben.

Macht’s gut,

Eure Blanca

Referenzen

Link zu App im App-Store und im Play Store

Beitragsbild von der Website des Entwicklers.

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